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Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Barmherzigen
Al-Ruqyah (Bitten um Heilung) und al-Mas (Berührung durch einen Schayṭān)
Alles Lob und Preis gebührt Allāh, dem Herrn der Welten und Sein Segen und Heil seien auf dem geehrtesten der Propheten und Gesandten, Muḥammad, dem Sohne °Abd Allāhs, und auf seiner gereinigten Familie, seinen gesegneten Gefährten und auf all jenen, die ihnen im Guten bis zum Jüngsten Tag folgen.:
Die Definition der Ruqyah
Die Ruqyah ist eine Form der Heilung, in der man Allāh (سبحانه و تعالى) anbetet und Ihn gleichzeitig um Heilung für einen Kranken bittet. Die Person, welche diese Form der Heilung durchführt, wird als Rāqī bezeichnet.
Symptome des Marīḍ (Patienten)
Die Ruqyah wird unabhängig davon praktiziert, ob der Marīḍ psychisch oder physisch krank ist oder die Krankheit durch al-Mas (Berührung) des Schayṭān (Satan) hervorgerufen wurde. Falls jemand Symptome zeigt, an denen man erkennen kann, dass diese Person an einer dieser Symptome leidet, wird die Ruqyah an dieser Person vorgenommen. Es gibt viele und unterschiedliche Zeichen, die von der jeweiligen Person abhängen. Zu den offensichtliche Zeichen gehört, dass die Person einen Dschinn sieht und mit ihm redet oder dass ein Dschinn der Person Ḍarar (Schaden) hinzufügt, z.B. durch Kopfschmerzen oder Magenschmerzen, die plötzlich auftauchen. Träume von Hunden und Schlangen müssen nicht unbedingt ein Zeichen dafür sein. Es gibt einen Unterschied darin, ob man diese Dinge im Traum- oder im Wachzustand sieht. Wenn man sie im Wachzustand sieht, dann kann dies ein Zeichen für Mas durch einen Schayṭān sein. Wenn so etwas vorkommt, muss man zuerst einen Arzt aufsuchen, da die Mediziner in diesem Fall die Ahl al-°Ilm (Leute des Wissens) darstellen, und sich gründlich untersuchen lassen. Falls die Medizin keine Ursachen für die Schmerzen findet, sollte man die Ruqyah vornehmen lassen.
Die beiden Arten des Mas durch einen Schayṭān
Die Ruqyah ist ein Kampf zwischen den Menschen und den Schayāṭīn (Satanen) unter den Dschinn. Es gibt zwei Formen des Mas durch einen Schayṭān:
- Al-Mas durch einen Schayṭān ohne Hilfe von Siḥr (Zauberei).
- Al-Mas durch einen Schayṭān mit Hilfe von Siḥr.
Al-Mas durch einen Schayṭān, ohne das Siḥr im Spiel ist, führt dazu, dass der Dschinn dem Menschen Ẓulm (Unrecht) und Ḍarar (Schaden) zufügt. Solch ein Mas durch einen Schayṭān kann jedem Menschen passieren. In solch einem Fall ist al-Mas nicht allzu stark und mächtig. Der Rāqī, d.h. jener, der die Ruqyah anwendet, braucht für die Ruqyah nicht allzu viel Kraft aufwenden, da der Schayṭān keinen Grund hat, um gegen die Ruqyah anzukämpfen. Durch die Anwendung der Ruqyah kann der betroffene Mensch in diesem Fall geheilt werden. Al-Mas durch einen Schayṭān mit Hilfe von Siḥr ist schwerer und komplizierter zu bekämpfen. Diese Art von Mas ist begründet in der Beziehung zwischen einem Sāḥir (Zauberer) und einem Schayṭān unter den Dschinn. Siḥr verursacht eine sehr starke und feste Beziehung zwischen dem Sāḥir und dem Schayṭān. Mit Hilfe des Siḥr befiehlt der Sāḥir dem Schayṭān eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen.
Beispiel: Der Sāḥir befiehlt dem Schayṭān, dass er einer bestimmten Person oder dessen Geschäft Ḍarar zufügen soll, sodass eine Person niemals zur Ruhe kommen soll oder dass er ein Ehepaar voneinander trennen soll.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie der Druck auf den Schayṭān entsteht, einer Person zu schaden:
- Der Sāḥir übt durch seinen Siḥr Druck auf den Schayṭān aus.
- Der Sāḥir hat eine Beziehung zu einem noch mächtigeren Schayṭān unter den Dschinn (z.B. einem Führer unter ihnen) und bittet den Führer der Dschinn darum, dass er jemanden von seinen Soldaten (untergeordneten Schayāṭīn) beauftragt, einen bestimmten Befehl auszuführen. Der untergeordnete Schayṭān bekommt also einen Befehl von seinem Befehlshaber (dem Sāḥir oder dem übergeordnete Schayṭān) und versucht diesen Befehl auszuführen.
Der Schayṭān ist bekanntermaßen der Feind des Menschen:
<قَالَ فَبِعِزَّتِكَ لَأُغۡوِيَنَّهُمۡ أَجۡمَعِينَ إِلَّا عِبَادَكَ مِنۡهُمُ ٱلۡمُخۡلَصِينَ>
Dies bedeutet gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Er sagte: „Nun, bei Deiner Macht, ich werde sie allesamt ganz gewiss in Verirrung fallen lassen, außer Deinen Dienern, den auserlesenen unter ihnen..>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah Ṣad [38], Āyāt 82,83)
Der Schayṭān schwört bei der Macht Allāhs, dass er die Menschen immer wieder versuchen wird, in den Ḍalāl (Irre) zu führen, außer die auserwählten Diener Allāhs unter den Menschen. Das heißt also, egal wie mächtig und stark der Schayṭān ist, er kann seine Ziele bei jenen, die einen starken Īmān (Glauben) haben und zu den aufrichtigen Dienern Allāhs gehören, nicht erreichen.
<ٱلَّذِينَ ءَامَنُواْ يُقَـٰتِلُونَ فِى سَبِيلِ ٱللَّهِۖ وَٱلَّذِينَ كَفَرُواْ يُقَـٰتِلُونَ فِى سَبِيلِ ٱلطَّـٰغُوتِ فَقَـٰتِلُوٓاْ أَوۡلِيَآءَ ٱلشَّيۡطَـٰنِۖ إِنَّ كَيۡدَ ٱلشَّيۡطَـٰنِ كَانَ ضَعِيفًا >
Dies bedeutet gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Diejenigen, die glauben, kämpfen auf Allāhs Weg, und diejenigen, die ungläubig sind, kämpfen auf dem Weg der Ṭāghūt. So kämpft gegen die Auliyā' (Beschützer / Verbündeten / Freunde / Helfer) des Schayṭān! Gewiss, die List des Schayṭān ist schwach.>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Nisā' [4], Āyāh 76)
Allāh (سبحانه و تعالى) sagt, dass es egal ist, was der Schayṭān macht und plant – seine Planungen werden stets schwach bleiben. Und er kann bei jenen, die den Īmān verwirklicht haben, nichts erreichen und hat keine Macht über sie. Er hat nur Macht über die Schwachen oder über Muslime, die sich in negativen Lebenssituationen befinden, wie z.B. wenn sie Sünden begehen, nervös oder aufgeregt sind, wenn sie eine Muṣībah (Katastrophe) trifft oder sie irgendwelche Probleme haben. In solchen Momenten ist es möglich, dass der Īmān eines Muslims schwach wird. Genau diese Phase nutzt der Schayṭān aus, um seine Macht auf diesen Muslim auszuüben. Der schwache Īmān eines Muslims macht aus ihm eine leichte Beute für den Schayṭān, so dass er seine Macht auf ihn ausüben kann. Deswegen muss man sich immer bewusst sein, dass unser Īmān unsere Festung bzw. unser Schutzschild ist, der uns gegen den verfluchten Schayṭān und seine Pläne schützt. Damit unser Īmān immer stark, stabil und standhaft bleibt, müssen wir stets den Dhikr vornehmen. Der Dhikr wird mit dem Herzen und den Taten vorgenommen.
- Der Dikhr mit dem Herzen: Man gedenkt in allen Lebenssituationen Allāhs, besonders bevor man eine Sünde begeht. Denn der Dhikr hält den Muslim vor der Sünde fern.
- Der Dhikr mit der Zunge: Man rezitiert den edlen Qur’ān, da er zum Dhikr gehört. Weiterhin zählen alle Adhkār zum Dhikr mit der Zunge, die vor und nach bestimmten Taten (z.B. vor dem Schlafen gehen, nach dem Gebet usw.) gesprochen werden.
Der Auswahl des Rāqī
Grundsätzlich ist der edle Qur’ān bereits eine Heilung in sich selbst. Wenn ein rechtschaffener und gottesfürchtiger Qāri' (Qur’ānrezitator) die Qirā'ah (Rezitation) vornimmt, an die heilende Wirkung des edlen Qur’ān glaubt, und gleichzeitig Allāh (عز و جل) um Heilung für den Marīḍ bittet, dann sollte man wissen, dass Allāh (جل جلاله) die 'Ad°iyah (Bittgebete) einer gottesfürchtigen und rechtschaffenen Person eher annimmt und die Wahrscheinlichkeit der Heilung des Marīḍ steigt, denn Allāh (تبارك وتعالى) liebt es, wenn ein frommer Muslim ein Du°ā' (Bittgebet) an Ihn richtet und gleichzeitig fromme Taten an den Tag legt. Wenn man die Ruqyah also von jemandem vollziehen lässt, der diese islāmischen Tugenden nicht besitzt, dann bleibt einem nur die Heilkraft des edlen Qur’ān, aber nicht die des Du°ā'. Wenn aber ein Ṣāliḥ (Rechtschaffener) oder ein Taqī (Gottesfürchtiger) diese Ruqyah vollzieht, dann hilft die Heilkraft des edlen Qur’ān und des Du°ā' dieser Person, sodass die Wahrscheinlichkeit auf eine schnelle Heilung eher gegeben ist. Daher sollte man für die Ruqyah eine rechtschaffene und gottesfürchtige Person wählen.
Die Aufgaben des Rāqī
Das Vollziehen einer Ruqyah bedeutet, dass der Rāqī Āyāt des edlen Qur’ān rezitiert und gleichzeitig 'Ad°iyah an Allāh (سبحانه و تعالى) für die Heilung des Marīḍ richtet. Es ist aber auch möglich, dass die alleinige Rezitation des edlen Qur’ān eine Heilung verursacht. Der Inhalt des edlen Qur’ān sind die Worte Allāhs und diese zu hören, kann die Seele, das Herz und den Körper reinigen. Die Ruqyah ist genauso wie andere Arten der Medizin ein Mittel zur Behandlung eines Marīḍ. Ebenfalls ist es wie auch bei anderen Medikamenten möglich, die Medikation innerhalb einer bestimmten Zeit vorzunehmen oder sie zu wiederholen. Man kann die Ruqyah auch solange wiederholen, wie es nötig ist, um dem Patienten eine Heilung zu verschaffen.
- Es ist empfohlen (mustaḥabb), dass man die Sūrah al-Fātiḥah siebzig Mal während der Ruqyah rezitiert.
- Es ist empfohlen (mustaḥabb), die Schutzsūren während der Ruqyah zu rezitieren.
- Es existieren Aḥadīth (Überlieferungen) von der Allgemeinheit der Ṣaḥābah, die besagen, dass man °Atīq (schöne Düfte) für die Ruqyah einsetzen soll, da die Schayāṭīn keine schönen Düfte mögen und diese dadurch vertreiben. Es ist daher besonders gut, schöne Gerüche oder Bakhūr (Weihrauch) bei der Ruqyah zu verwenden, besonders bei Leuten, die al-Mas durch einen Schayṭān erfahren haben.
- Es ist mubāḥ (erlaubt), dass man den edlen Qur’ān auf Wasser rezitiert oder auf ein Stück Papier schreibt und ins Wasser taucht, um das Wasser dem Marīḍ zu trinken zu geben, selbst wenn die Person davon keine Kenntnis besitzt.
- Es ist mustaḥabb (empfohlen), dass man Anhänger um den Hals trägt, in denen sich Āyāt aus dem edlen Qur’ān befinden. All dies zählt zu den guten Taten des Muslims.
- Grundsätzlich können Aḥadīth (Überlieferungen), die uns von den guten Taten berichten, auch dann akzeptiert werden, wenn sie ḍa°īf (schwach) sind. Diese können wir so, wie berichtet wird, annehmen und praktizieren, sofern sie nicht den Ḥarām (Verbotene) enthalten. Den edlen Qur‘ān zu rezitieren, sodass sich die Luft bzw. das Flüssige damit vermischt, um danach in die Hände zu pusten bzw. über den Körper zu streichen, gehört zum Thema Tabarruk (Segen einholen). Dadurch erhofft man sich, den Segen dieser guten Taten auf die jeweilige Körperstelle bzw. Person zu übertragen. Dies stellt kein Problem dar und ist mubāḥ (erlaubt).
Wenn man mit der Ruqyah beginnt und der Patient wirklich vom Mas betroffen ist, dann stört die Qur’ānrezitation die Person. Sie wird sehr nervös, wobei in manchen Fällen Atemnot, Zittern oder starke Kopfschmerzen auftreten. Manchmal fängt der Dschinn selbst an zu reden und man sieht auch andere Anzeichen, dass die betroffene Person vom Mas betroffen ist. Sobald solche Anzeichen auftauchen oder deutlicher werden, sollte man mit der Ruqyah weitermachen, solange kein Ḍarar vom Dschinn gegenüber dem Marīḍ ausgeht.
Der Rāqī versucht durch die Ruqyah zu verhindern, dass der Schayṭān seine Aufgabe weiter ausführt. So befindet sich der Dschinn in einer Situation, in der er sich entscheiden muss, ob er vom Mas ablässt oder weiterkämpft und durch die Ruqyah nach und nach schwächer wird. Umso größer der Druck auf dem Dschinn durch seinen Befehlshaber ist, desto mehr lastet der Druck auf dem Dschinn weiterzukämpfen. Es ist nämlich möglich, dass der Zauberer dem Dschinn droht, dass er ihn verbrennt, falls er im Bezug auf den Mas aufgibt und zurückkehrt oder dass sein Anführer ihm mit großen Qualen droht. Umso größer der Druck auf dem Schayṭān ist, desto schwerer gibt er den Mas auf. Der Dschinn muss also abwägen, welcher Druck für ihn größer ist – der Druck durch die Ruqyah oder durch seine Befehlshaber. Wenn der Ḍarar, den er durch seine Befehlshaber erwarten muss, falls er aufgibt, größer sein wird, als der Ḍarar, der durch die Ruqyah entsteht, dann wird er gegen die Ruqyah ankämpfen und standhaft zu bleiben.
Durch diesen andauernden Kampf des Schayṭān kann der Marīḍ zu einem Opfer werden und letztendlich gelähmt bleiben oder sogar sterben. Daher muss der Rāqī erfahren sein und wissen, wann er mit der Ruqyah jeweils aufhört und weitermacht. Wenn er sieht, dass der Schayṭān anfängt zu kämpfen, dann muss er nachgeben, um Ḍarar vom Marīḍ abzuwenden. Der Rāqī muss also Ḥikmah (Weisheit) besitzen, damit er mit der Situation richtig umgehen und sie auch unter Kontrolle halten kann. Er muss wissen, was er wann rezitieren sollte und wann er damit aufhören muss.
Al-Ruqyah für Kuffār (Nichtmuslime)
Die Ruqyah ist das Erbitten um Heilung bei Allāh (سبحانه و تعالى). Dies setzt man um, indem man sich Allāh (عز و جل) durch Qur'ān-Rezitation, Dhikr oder Qur'ān-Niederschrift nähert. Die Ruqyah für den Kāfir (Nichtmuslim), der nicht gegen den Islām ankämpft, ist eine Form des Birr (guten bzw. wohltätigen Handlung). Dies ist mubāḥ (erlaubt) und kann sogar mustaḥabb (empfohlen) sein, wenn es eine Da°wah (Einladung) zum Islām darstellt. Die Ruqyah kann sogar für jemanden, der gegen den Islām ankämpft, unter bestimmten Umständen mubāḥ (erlaubt) oder mustaḥabb (empfohlen) sein.
Und Allāh weiß es am besten und ist weiser.
Quelle: Schriften-Nr.-009