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Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Barmherzigen

Alles Lob und Preis gebührt Allāh, dem Herrn der Welten und Sein Segen und Heil seien auf dem geehrtesten der Propheten und Gesandten, Muḥammad, dem Sohne °Abd Allāhs, und auf seiner gereinigten Familie, seinen gesegneten Gefährten und auf all jenen, die ihnen im Guten bis zum Jüngsten Tag folgen. So dann:

Die Belohnung (Thawāb) Allāhs

Es gibt eine wichtige Angelegenheit, die wir oft aus unseren Augen verlieren, da wir stets der Unachtsamkeit (Ğaflah) verfallen. Es handelt sich hierbei um die Belohnung (Thawāb) Allāhs, die Er für Seine Diener vorbereitet hat. Im edlen Qur'ān werden wir feststellen, dass sehr oft von der Belohnung Allāhs die Rede ist. Wenn dieses Thema also nicht so wichtig wäre, dann hätte Allāh (سبحانه و تعالى) es nicht immer wieder erwähnt. So ist das Paradies (al-Dschannah) die Belohnung, die Allāh für die Rechtschaffenden unter Seinen Dienern vorbereitet hat. Keiner kennt die Menschen besser als Ihr Schöpfer und Allāh (عز و جل) weiß was für sie am besten ist. Er sagt nicht zu Seinen Geschöpfen, dass sie Ihm dienen sollen, obwohl Ihm dies gebührt. Auch sagt Er nicht, dass sie Ihm dienen müssen, obwohl Ihm dies gebührt. Vielmehr sagt Er, dass sie dafür belohnt werden, wenn sie Ihm dienen, obwohl Er dies nicht tun müsste. Dies ist die Huld Allāhs gegenüber den Menschen.

Damit wir den Wert dieser Belohnung erfassen können, müssen wir zuerst den wahren Wert des Lebens und Diesseits erkennen. Das Leben (al-Ḥayāh) besteht nicht nur aus unserem Leben im Diesseits. Vielmehr gibt es vier Stationen des Lebens und das Wissen, ob es darüber hinaus noch mehr gibt, ist bei Allāh. Die Namen der vier Stationen des Lebens lauten:

1. Al-Ḥayāh al-Dharr: Das Leben bevor Allāh (سبحانه و تعالى) Ādam (عليه السلام) und seine Nachkommenschaft erschuf und uns die Pflichten Ihm gegenüber auferlegt hat.

2. Al-Ḥayāh al-Dunyā: Das Leben im Diesseits

3. Al-Ḥayāh al-Barzakha: Das Leben in der Zwischenwelt, bevor man am Tage des Jüngsten Gerichts auferstehen wird.

4. Al-Ḥayāh al-Ākhirah: Das Leben im Jenseits.

Das Leben im Diesseits wird von Allāh (عز و جل) als das niedrigste Leben bezeichnet. Hiermit ist der Wert und die Stufe gemeint. Er erwähnt in Seinem edlen Buch, dass das Diesseits und alles, was sich darin befindet, nicht einmal den Wert des Flügels eines Insekts hat -  wobei dies nicht als Metapher zu verstehen ist. Hätte das Leben tatsächlich einen Wert, dann hätte Allāh (سبحانه و تعالى) die Nichtmuslime (Kuffār) nicht versorgt. Wir sehen aber, dass beispielsweise die Atheisten (Mulḥidūn), die ja die Existenz des Schöpfers verleugnen und einige unter ihnen Ihn sogar beschimpfen, weiterhin von Ihm versorgt werden. Sie werden von Ihm versorgt, da das Diesseits bei Allāh absolut keinen Wert hat.

Selbst wenn die Muslime eine vereinte Gemeinschaft (Ummah) darstellten, würde Allāh (عز و جل) dennoch die Nichtmuslime mit Reichtum überhäufen, damit sie noch mehr vom Diesseits erhalten, da es für Ihn keinen Wert darstellt. Es handelt sich um eine Station des Lebens, die vorübergehend ist. Der Tod kennt keine Uhrzeit und kein Alter, was wir daran erkennen, dass sowohl Kinder, Jugendliche und alte Menschen sterben. Der Tod kennt also keine Grenzen. Egal wie sehr man sich um eine Angelegenheit des Diesseits bemüht, muss man sich vor Augen halten, dass wir dieses Diesseits jeden Moment verlassen können.

So bemüht man sich jemand jahrelang um sein Studium und genau in jenem Moment, wenn man seine Abschlussprüfung ablegen soll, stirbt man. Oder man bemüht sich um seine Kinder, indem man sie erzieht, ihnen ihre Ausbildung ermöglicht und sie in jeglicher Weise finanziell unterstützt und noch bevor sie heiraten und ihr eigenes Leben richtig beginnen, stirbt man, ohne dies gesehen zu haben. Oder man bemüht sich um sein Vermögen, indem man eine oder mehrere Firmen eröffnet. Doch schlussendlich kann man von diesem Vermögen nichts mitnehmen, sobald man dieses Leben verlässt. Oder man bemüht sich um seine Gesundheit, macht regelmäßig Sport, achtet auf seine Ernährung und auf einmal verlässt man das Leben und alles ist vorbei, obwohl man so sehr darauf geachtet hat, gesund zu leben und keine Krankheiten zu bekommen.  

Wer den wahren Wert des Lebens erkennt, weiß, dass dieses Leben vorübergehend ist. Es ist nur ein Übergang und keine Wohnstätte, in der man sich niederlässt. Man kann nichts aus dem Diesseits ins nächste Leben mitnehmen, außer den rechtschaffenden Taten (°Amalu Ṣāliḥ). Sobald ein Mensch stirbt, wird er rufen: „Wo sind meine Kinder? Wo sind meine Helfer? Wo sind meine Verwandten? Wo ist meine Familie? Wo ist meine Frau? Wo sind meine Brüder? Wo sind meine Freunde? Wo ist mein Vermögen?“. Nichts und niemand wird einem im nächsten Leben einen Nutzen bringen, außer die guten Taten im Leben, die man für Allāh vollbracht hat.  

Dies ist der Sinn des Lebens, für den wir leben - darum erschuf uns Allāh (سبحانه و تعالى) und nicht um den Menschen, dem Leben, unseren Gelüsten (Schahawāt), unserem Magen, unserem Körper oder um unseren Familien und Kindern zu dienen. Jeder Muslim kennt und weiß das, aber warum vergessen wir es dann immer wieder? Warum verfallen wir stets in diese Unachtsamkeit? Die Antwort ist, dass wir den Tod vergessen! Wir vergessen, dass der Tod in jeder Sekunde und in jedem Augenblick kommen kann. Warum bemühen wir uns nicht für das Jenseits? Weil wir dieser Belohnung von Allāhs nicht den richtigen Wert bemessen und sie nicht ausreichend wertschätzen.

Allāh (عز و جل) hat Seinen rechtschaffenden Dienern als Belohnung im Jenseits vorbereitet, was das Auge noch nicht gesehen und das Ohr noch nicht gehört hat. Somit handelt es sich um eine Belohnung, die sich ein Mensch nicht mal in seinen kühnsten Träumen vorstellen könnte. Alleine über diese Aussage könnte bereits stundenlang diskutieren. Der Mensch kann sich viele Dinge in seiner Fantasie vorzustellen, wie beispielsweise einen fliegenden Elefanten. Nun muss man sich darüber im Klaren sein, dass diese Belohnung etwas derart faszinierendes darstellt, das sie sich kein Mensch – nicht einmal in seiner kühnsten Fantasie – vorstellen kann. Der Mensch kann sich zwar viele Dinge vorstellen, doch der Verstand ist nicht in der Lage sich das Paradies vorzustellen, wobei selbst die Beschreibung im edlen Qur'ān nur eine Annäherung darstellt. Mit diesen Versen (Āyāt) möchte der Schöpfer die Menschen nur motivieren, da Er weiß, wie sie sind und was ihnen zusagt.

Eine kurze Wiederholung

Allāh (سبحانه و تعالى)  hätte den Menschen – obwohl dies nicht der Fall ist - sagen können, dass sie Ihm ohne jegliche Belohnung dienen müssen. Vielmehr sagt Er, dass man für die Dienerschaft Ihm gegenüber eine gewaltige Belohnung erhält. Der Muslim muss stets daran denken, dass dieses Leben vorübergehend ist, man nach einer kurzen Dauer stirbt und dann wieder aufersteht. Dies stellt einen wichtigen Teil unserer Glaubensgrundlage (°Aqīdah) dar. Wie erhält man nun diese großartige Belohnung durch Allāh und was stellt sie genau dar? Es handelt sich bei dieser Belohnung um das Paradies (al-Dschannah). Dort existieren kein Leid, keine Krankheiten, keine Schmerzen, keine Tränen, keine Trauer, keine Streitigkeiten, kein Hass, kein Groll, kein Neid und vor allem keine Sorgen. Kann sich jemand so ein Leben vorstellen? Wenn sich jemand solch ein Leben vorstellen könnte, dann müsste er alles in seiner Macht stehende dafür tun, um diese Belohnung zu erhalten. Er müsste wie ein Engel auf Erden leben und sein Leben zur Gänze danach ausrichten, was sein Schöpfer von ihm verlangt.  

Im Paradies existieren all diese negativen Aspekte des Diesseits, die wir zuvor aufgezählt haben, nicht. Die Sorge ist für den Menschen der härteste Aspekt im Diesseits, den der Schöpfer erschuf, wobei es insgesamt zehn gewaltige Dinge gibt:

  1. Das Gebirge ist gewaltig.
  2. Aber das Eisen ist noch gewaltiger, weil wir mit dem Eisen die Gebirge zerschlagen können.
  3. Das Feuer ist noch gewaltiger als das Eisen, denn das Feuer lässt das Eisen schmelzen.
  4. Das Wasser ist noch gewaltiger als das Feuer, denn das Wasser löscht das Feuer.
  5. Die Wolken sind noch gewaltiger als das Wasser, da die Wolken das Wasser tragen.
  6. Der Wind ist noch gewaltiger als die Wolken, da der Wind die Wolken überall hinweht.
  7. Der Mensch ist noch gewaltiger als der Wind, weil der Mensch sich vor dem Wind schützen kann.
  8. Das Trinken von Berauschendem ist noch gewaltiger als der Mensch, da ein Mensch - sobald er etwas Berauschendes trinkt - keine Kontrolle mehr über sich hat und der Rausch ihn überkommt.
  9. Der Schlaf ist noch gewaltiger als das Berauschende, weil man den Zustand des Rauschs durch den Schlaf besiegt.
  10. Die Sorge ist noch gewaltiger als der Schlaf, denn sie raubt einen den Schlaf.

Dies sind die gewaltigsten zehn Dinge und die gewaltigste Sache, die Allāh (عز و جل) erschuf, ist die Sorge, denn sie kann einen selbst und alles um einen herum zerstören. Man sorgt sich um sein Leben, seine Kinder, seine Gesundheit, seine Versorgung, seine Arbeit, seine Freunde, seine Verwandten, seine Zukunft und seine Karriere – das gesamte Leben besteht nur aus Sorgen. Es wäre allerdings ratsam, wenn wir uns vor allem um das Leben im Jenseits Sorgen machen würden. Man muss sich hierfür nur darüber im Klaren werden, dass es im Paradies keine Sorgen mehr gibt.

Bisher haben wir darüber gesprochen, was es alles nicht im Paradies gibt. Aber was gibt es im Paradies? Es gibt alles, was man sich wünscht und begehrt. Doch am schönsten hierbei ist, dass man dort mit der Gewissheit lebt, dass der Schöpfer zufrieden mit einem ist. Was ist mehr erstrebenswerter, als ein Zustand der absoluten Freude, Liebe und der Zufriedenheit Allāhs? Obwohl wir uns diesen Zustand nicht vorstellen können, wird dieser mit der Erlaubnis des Schöpfers unser Zustand sein. Und wenn man sich stets diesen Zustand vor den Augen hält, dann wird man das Diesseits und damit dessen Sorgen vergessen, da man weiß, dass all dies vergänglich ist. Warum macht man sich also Sorgen um die Arbeit, Familie und im Allgemeinen um dieses Diesseits, wenn man nichts davon ins Jenseits mitnehmen kann?

Jeder muss mit sich selbst jeden Tag und jede Nacht eine kleine Abrechnung durchführen. Bei dieser Abrechnung ist es wichtig, dass man all jene Dinge, die wir in diesem Beitrag aufgeführt haben, innerlich wiederholt. Sind diese Sorgen, die man jeden Tag in sich trägt, all den Aufwand wert? Steht der Aufwand, den man täglich für das Diesseits betreibt, in Relation zu unseren Taten für das Jenseits? Oder ist es vielmehr so, dass das Beste, dass man tagtäglich umsetzt, nur die rituellen Gebete sind und dass man ansonsten keinerlei gute Taten vorweisen kann? Ist es vielleicht eher so, dass man sich nicht auf dem Weg Allāhs abmüht, keine Einladung zum Islām (Da°wah) betreibt, sich nicht für den Islām und seine Geschwister einsetzt, sondern eher das Gegenteil betreibt, indem man über die anderen Muslime schimpft, sich beschwert und nur jammert?

Also muss man sich jeden Tag die Frage stellen, was von größerer Bedeutung für einen ist – das Dies- oder das Jenseits? Was wird man am heutigen Tag für das Wohlgefallen des Schöpfers tun? Was hat man gestern dafür getan? Hat man eine rechtschaffende Tat vollbracht oder seinen Alltag mit diesseitigen Themen verbracht? Oder geht es vielleicht sogar soweit, dass man seinen Tag mit Sünden verbrachte?  Hat man sich um andere Menschen gekümmert? Hat man sich um die Angelegenheit der Muslime gekümmert? Hat man seine Familie bzw. seine Eltern angerufen? Hat man irgendetwas Gutes getan?

Das Leben ist vergänglich und der Schöpfer wird uns über unser Leben, unsere Taten, unsere Gesundheit und unser Vermögen zur Rechenschaft ziehen. Man bemüht sich um viele Dinge im Diesseits, doch dürfen wir dabei nicht vergessen, dass wir stets rechtschaffende Taten an den Tag legen müssen. Wenn man stirbt, werden von drei Dingen nur zwei im Diesseits verbleiben und man nimmt nur eine davon ins Jenseits mit. Man wird seine Familie und sein Vermögen zurücklassen und wird nur seine Taten mit sich nehmen. Hierbei zählen allerdings nur jene Taten, die man für Allāh (سبحانه و تعالى) vollbracht hat und nicht jene für das Diesseits. Ist also das Paradies, welches der Schöpfer für uns vorbereitet hat, nicht erstrebenswert, sodass wir uns für diese Welt abmühen?

Selbst wenn man seine Kinder erzieht, sagt man ihnen, dass sie eine Belohnung erhalten, wenn sie dies oder jenes tun. Doch wenn der Schöpfer aller Dinge uns dasselbe sagt, dann nehmen wir es nicht ernst. Wir müssen endlich aufwachen, da das Leben vergänglich ist, und uns für das wahre Leben, die wahre Belohnung bemühen. Und diese Belohnung ist abhängig von unseren Taten. Sie hängt davon ab, wie wir unser Leben verbringen. Wie verhalten wir uns gegenüber anderen Menschen? Wie setzen wir uns für den Islām ein? Wie sind unsere Charaktereigenschaften? Was sagen wir mit unseren Zungen? Verhalten wir uns gerecht oder ungerecht? Sind wir ein Vorbild für andere Menschen oder vielmehr das Gegenteil?

Unser Schöpfer kennt unsere Herzen und weiß, was in ihrem Inneren vorgeht. Wir können nach außen hin viel Gutes präsentieren, aber unser Schöpfer achtet vor allem auf unsere Herzen. Hierbei ist nicht vordergründig, wie wir aussehen, was wir sagen oder wie wir uns vor den Menschen verhalten, sondern unsere Absichten, die unsere Taten begründen. Es kann beispielsweise sein, dass man jemanden durch seine Wörter verletzt, ohne dass man die Absicht dazu hatte. Da unser Schöpfer allerdings unsere Absichten kenn, wird Er einem vergeben und die Angelegenheit so wenden, dass die Person einem ebenfalls vergeben wird. Allāh weiß, wie man tatsächlich ist und nur darauf schaut Er.

Das Leben im Diesseits ist nicht von Bedeutung. Diese Botschaft und die damit verbundene Belohnung Allahs vergessen wir immer und immer wieder. Daher ist es von enormer Wichtigkeit, dass wir uns gegenseitig stets daran erinnern. Der Tod kommt zu jeder Zeit, in jedem Augenblick, mit jedem Atemzug. Es kann sein, dass man in diesem Moment seinen letzten Atemzug tätigt. Das Leben ist nur eine Illusion und der Tod ist die Wahrheit. Dies ist das Thema über das die Menschen nicht reden wollen. Sobald man dieses Thema eröffnet, fühlen sie sich unwohl und möchten das Thema wechseln. Dennoch müssen wir versuchen, uns gegenseitig vor der Liebe zum Diesseits zu schützen, indem wir uns stets an das Wohlgefallen und auch an die Strafe Allahs erinnern. Das Diesseits und unser Ego (Nafs) sind unsere Feinde und sie sind wahrhaftig starke Feinde, aber wir sind stärker mit unserem Glauben (Īmān), unserem Zusammenhalt, unserem Wissen und mit der gegenseitigen Ermahnung und Erinnerung.

Das wahre Leben wartet noch auf uns. Jeder bekommt seine Belohnung und das ist das Versprechen Allāhs. Es ist eine Belohnung, die wir uns nicht vorstellen können. Unser Ziel sollte also das Wohlgefallen Allāhs sein, was Er schlussendlich mit dem Paradies belohnt.

Und Allāh weiß es besser und ist weiser.