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Frage: Existiert im islāmischen Staat eine Todesstrafe?
Antwort: Allāhs Segen sei auf Muḥammad und der Familie von Muḥammad.
Grundsätzlich gilt ein Dalīl Scharī°ī (islāmrechtlicher Beweis) nur dann als relevant, wenn sowohl die Quelle als auch die Bedeutung qaṭ°ī (absolut stichhaltig) sind. Wenn dies der Fall ist, dann wird dieser Dalīl als „qaṭ°ī al-Thubūt (absolut stichhaltig in Bezug auf die Quelle) und qaṭ°ī al-Dalālah (absolut stichhaltig in Bezug auf die Bedeutung)" bezeichnet. Gäbe es also einen Dalīl, der solche Rahmenbedingungen erfüllt und gleichzeitig al-Ḥadd (Todesstrafe) für einen Mu’min (Gläubigen) darstellt, dann wäre es wādschib (verpflichtend), diesen Dalīl anzunehmen.
Ein Dalīl der ẓannī al-Thubūt (zweifelhaft in Bezug auf die Quelle) oder ẓannī al-Dalālah (zweifelhaft in Bezug auf die Bedeutung) ist, kann definitiv nicht angenommen werden, da er kein Ḥaqqun maqṭu°anbihī (stichhaltiges Recht) darstellt und somit auch nicht als Dalīl Scharī°ī (islāmrechtlicher Beweis) gilt. Daher können wir auch nicht al-Ḥilliyyah (die Erlaubnis) zur Umsetzung solcher 'Adillah ẓannīyyah (zweifelhafte Beweise) geben.
Es gibt aber tatsächlich 'Adillah qaṭ°īyyah (absolut stichhaltige Beweise), welche die Tötung eines Mu’min befehlen, wie beispielsweise in Bezug auf das Thema „Qiṣāṣ (Wiedervergeltung)“.
<وَمَن يَقْتُلْ مُؤْمِنًا مُّتَعَمِّدًا فَجَزَآؤُهُۥ جَهَنَّمُ خَـٰلِدًا فِيهَا وَغَضِبَ ٱللَّهُ عَلَيْهِ وَلَعَنَهُۥ وَأَعَدَّ لَهُۥ عَذَابًا عَظِيمًا>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Und wer einen Mu'min (Gläubigen) vorsätzlich tötet, dessen Lohn ist Dschahannam (Hölle), ewig darin zu bleiben. Und Allāh zürnt ihm und verflucht ihn und bereitet ihm gewaltige Strafe.>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Nisā' [4], Āyah 93)
<يَـٰٓأَيُّہَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُواْ كُتِبَ عَلَيۡكُمُ ٱلۡقِصَاصُ فِى ٱلۡقَتۡلَىۖ ٱلۡحُرُّ بِٱلۡحُرِّ وَٱلۡعَبۡدُ بِٱلۡعَبۡدِ وَٱلۡأُنثَىٰ بِٱلۡأُنثَىٰۚ فَمَنۡ عُفِىَ لَهُ ۥ مِنۡ أَخِيهِ شَىۡءٌ۬ فَٱتِّبَاعُۢ بِٱلۡمَعۡرُوفِ وَأَدَآءٌ إِلَيۡهِ بِإِحۡسَـٰنٍ۬ۗ ذَٲلِكَ تَخۡفِيفٌ۬ مِّن رَّبِّكُمۡ وَرَحۡمَةٌ۬ۗ فَمَنِ ٱعۡتَدَىٰ بَعۡدَ ذَٲلِكَ فَلَهُ ۥ عَذَابٌ أَلِيمٌ۬ وَلَكُمۡ فِى ٱلۡقِصَاصِ حَيَوٰةٌ۬ يَـٰٓأُوْلِى ٱلۡأَلۡبَـٰبِ لَعَلَّڪُمۡ تَتَّقُونَ>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<O die ihr glaubt, vorgeschrieben ist euch Qiṣāṣ (Wiedervergeltung) für die Getöteten: der Freie für den Freien, der Sklave für den Sklaven und das Weib für das Weib. Doch wenn einem von seinem Bruder etwas erlassen wird, so soll die Verfolgung (der Ansprüche) in rechtlicher Weise und die Zahlungsleistung an ihn auf ordentliche Weise geschehen. Das ist eine Erleichterung von eurem Herrn und Erbarmung. Wer aber nach diesem eine Übertretung begeht, für den gibt es schmerzhafte Strafe. Im Qiṣāṣ (Wiedervergeltung) liegt Leben für euch, o die ihr Verstand besitzt, auf dass ihr gottesfürchtig werden möget!>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Baqarah [2], Āyāt 178, 179)
Wenn also ein Muslim einen anderen Muslim mit Vorsatz tötet, dann erhalten die Familienangehörigen des Opfers nach einer Gerichtsverhandlung in einem islāmischen Staat das Recht, dass der Staat dem Täter das Leben nimmt, da die Āyāt des edlen Qur'ān einen Dalīl qaṭ°īyyah (absolut stichhaltigen Beweis) darstellen. Ein weiterer Dalīl qaṭ°īyyah für die Tötung eines Menschen stellt beispielsweise folgender Fall dar:
Wenn zwei Gruppen von Muslimen während der Existenz eines islāmischen Staates miteinander streiten und eine von ihnen begeht der anderen Gruppe gegenüber Ẓulm (Unrecht), dann darf man die widerrechtliche vorgehende Gruppe bekämpfen.
<وَإِن طَآٮِٕفَتَانِ مِنَ ٱلۡمُؤۡمِنِينَ ٱقۡتَتَلُواْ فَأَصۡلِحُواْ بَيۡنَہُمَاۖ فَإِنۢ بَغَتۡ إِحۡدَٮٰهُمَا عَلَى ٱلۡأُخۡرَىٰ فَقَـٰتِلُواْ ٱلَّتِى تَبۡغِى حَتَّىٰ تَفِىٓءَ إِلَىٰٓ أَمۡرِ ٱللَّهِۚ فَإِن فَآءَتۡ فَأَصۡلِحُواْ بَيۡنَہُمَا بِٱلۡعَدۡلِ وَأَقۡسِطُوٓاْۖ إِنَّ ٱللَّهَ يُحِبُّ ٱلۡمُقۡسِطِينَ>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Und wenn zwei Gruppen von den Mu'minūn (Gläubigen) miteinander kämpfen, so stiftet Frieden zwischen ihnen. Wenn die eine von ihnen gegen die andere widerrechtlich vorgeht, dann kämpft gegen diejenige, die widerrechtlich vorgeht, bis sie zu Allāhs Befehl zurückkehrt. Wenn sie zurückkehrt, dann stiftet Frieden zwischen ihnen nach Gerechtigkeit und handelt dabei gerecht. Allāh liebt ja die Gerechten.>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Ḥudschurāt [49], Āyah 9)
Weiterhin gilt auch die Tötung eines Muslims im Fall der Existenz eines islāmischen Staates, wenn er seine Mitmenschen terrorisiert, sie tötet, beraubt, ihnen Ẓulm (Unrecht) tut usw. Diese Strafe wird als „Ḥadd al-Ḥirābah“ bezeichnet.
<إِنَّمَا جَزَٲٓؤُاْ ٱلَّذِينَ يُحَارِبُونَ ٱللَّهَ وَرَسُولَهُ ۥ وَيَسۡعَوۡنَ فِى ٱلۡأَرۡضِ فَسَادًا أَن يُقَتَّلُوٓاْ أَوۡ يُصَلَّبُوٓاْ أَوۡ تُقَطَّعَ أَيۡدِيهِمۡ وَأَرۡجُلُهُم مِّنۡ خِلَـٰفٍ أَوۡ يُنفَوۡاْ مِنَ ٱلۡأَرۡضِۚ ذَٲلِكَ لَهُمۡ خِزۡىٌ۬ فِى ٱلدُّنۡيَاۖ وَلَهُمۡ فِى ٱلۡأَخِرَةِ عَذَابٌ عَظِيمٌ إِلَّا ٱلَّذِينَ تَابُواْ مِن قَبۡلِ أَن تَقۡدِرُواْ عَلَيۡہِمۡۖ فَٱعۡلَمُوٓاْ أَنَّ ٱللَّهَ غَفُورٌ۬ رَّحِيمٌ۬>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Der Lohn derjenigen, die Krieg führen gegen Allāh und Seinen Gesandten und sich bemühen, auf der Erde Unheil zu stiften, ist indessen (der), dass sie allesamt getötet oder gekreuzigt werden, oder dass ihnen Hände und Füße wechselseitig abgehackt werden, oder dass sie aus dem Land verbannt werden. Das ist für sie eine Schande im Diesseits, und im Jenseits gibt es für sie gewaltige Strafe, – außer denjenigen, die bereuen, bevor ihr Macht über sie habt. So wisset, dass Allāh Allvergebend und Barmherzig ist.>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Mā'idah [5], Āyāt 33, 34)
In diesen Āyāt werden verschiedene Strafbestände und deren unterschiedliche Bestrafungen erwähnt. Je nach Schwere des Verbrechens unterscheiden sich also die Bestrafungen. Auch dies stellt einen Dalīl qaṭ°īyyah dafür dar, um – im Fall der Existenz eines islāmischen Staates – einem Menschen das Leben zu nehmen, selbst wenn es sich hierbei um einen Muslim handelt.
In Bezug auf al-Riddah (das Verlassen des islāmischen Dīn), gibt es im edlen Qur'ān keine 'Adillah (Beweise) zur Tötung eines Murtadd (Apostaten) als Strafe Allāhs. Wenn im Qur'ān davon die Rede ist, dass jemand den Islām verlassen hat, dann wird stets auf die Vergeltung im Jenseits hingewiesen.
<يَسْــَٔلُونَكَ عَنِ ٱلشَّهْرِ ٱلْحَرَامِ قِتَالٍ فِيهِۖ قُلْ قِتَالٌ فِيهِ كَبِيرٌۖ وَصَدٌّ عَن سَبِيلِ ٱللَّهِ وَكُفْرُۢ بِهِۦ وَٱلْمَسْجِدِ ٱلْحَرَامِ وَإِخْرَاجُ أَهْلِهِۦ مِنْهُ أَكْبَرُ عِندَ ٱللَّهِۚ وَٱلْفِتْنَةُ أَكْبَرُ مِنَ ٱلْقَتْلِۗ وَلَا يَزَالُونَ يُقَـٰتِلُونَكُمْ حَتَّىٰ يَرُدُّوكُمْ عَن دِينِكُمْ إِنِ ٱسْتَطَـٰعُواْۚ وَمَن يَرْتَدِدْ مِنكُمْ عَن دِينِهِۦ فَيَمُتْ وَهُوَ كَافِرٌ فَأُوْلَـٰٓئِكَ حَبِطَتْ أَعْمَـٰلُهُمْ فِى ٱلدُّنْيَا وَٱلْأَخِرَةِۖ وَأُوْلَـٰٓئِكَ أَصْحَـٰبُ ٱلنَّارِۖ هُمْ فِيهَا خَـٰلِدُونَ>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<[…] Wer aber unter euch yartadid minkum °an Dīnihi (sich von seiner Religion abkehrt) und dann als Kāfir (Nichmuslim) stirbt –, das sind diejenigen, deren Werke im Diesseits und im Jenseits hinfällig werden. Das sind Insassen des (Höllen)feuers. Ewig werden sie darin bleiben.>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Baqarah [2], Āyah 217)
Im Gegensatz dazu, gibt es viele Aḥadīth (Überlieferungen), welche befehlen, dass derjenige, der den islāmischen Dīn (Religion) verlässt, getötet werden muss. Wie bereits erwähnt, sind Aḥadīth grundsätzlich in ihrem Sanad (Überlieferungskette) ẓannī (zweifelhaft) und stellen keine 'Adillah qaṭ°īyyah (absolut stichhaltige Beweise) dar, solange ihr Matn (Inhalt) nicht durch Āyāt im edlen Qur'ān bestätigt wird. Vielmehr sehen wir im edlen Qur'ān, dass man niemanden zwingen soll, den Islām anzunehmen.
<لَآ إِكْرَاهَ فِى ٱلدِّينِۖ قَد تَّبَيَّنَ ٱلرُّشْدُ مِنَ ٱلْغَىِّۚ فَمَن يَكْفُرْ بِٱلطَّـٰغُوتِ وَيُؤْمِنۢ بِٱللَّهِ فَقَدِ ٱسْتَمْسَكَ بِٱلْعُرْوَةِ ٱلْوُثْقَىٰ لَا ٱنفِصَامَ لَهَاۗ وَٱللَّهُ سَمِيعٌ عَلِيمٌ>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Es gibt keinen Zwang im Dīn (Religion). (Der Weg der) Besonnenheit ist nunmehr klar unterschieden von (dem der) Verirrung. […]>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Baqarah [2], Āyah 256)
Auch nimmt Allāh (سبحانه و تعالى) den Islām einer Person nicht an, wenn diese Person dies ungewollt getan hat.
<وَقُلِ ٱلْحَقُّ مِن رَّبِّكُمْۖ فَمَن شَآءَ فَلْيُؤْمِن وَمَن شَآءَ فَلْيَكْفُرْۚ إِنَّآ أَعْتَدْنَا لِلظَّـٰلِمِينَ نَارًا أَحَاطَ بِهِمْ سُرَادِقُهَاۚ وَإِن يَسْتَغِيثُواْ يُغَاثُواْ بِمَآءٍ كَٱلْمُهْلِ يَشْوِى ٱلْوُجُوهَۚ بِئْسَ ٱلشَّرَابُ وَسَآءَتْ مُرْتَفَقًا>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Und sag: (Es ist) die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll nicht glauben. Gewiss, Wir haben den Ungerechten ein Feuer bereitet, dessen Zeltdecke sie umfangen hält. Und wenn sie um Hilfe rufen, wird ihnen mit Wasser wie geschmolzenem Erz geholfen, das die Gesichter versengt – ein schlimmes Getränk und ein böser Rastplatz!>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Kahf [18], Āyah 29)
Anhand dieser Āyah können wir sehen, dass Allāh (عز وجل) jeder Person die Freiheit gibt, zu entscheiden, ob er ein Muslim oder Kāfir (Nichtmuslim) sein möchte.
<فَلَا وَرَبِّكَ لَا يُؤْمِنُونَ حَتَّىٰ يُحَكِّمُوكَ فِيمَا شَجَرَ بَيْنَهُمْ ثُمَّ لَا يَجِدُواْ فِىٓ أَنفُسِهِمْ حَرَجًا مِّمَّا قَضَيْتَ وَيُسَلِّمُواْ تَسْلِيمًا>
Gemäß der ungefähren Übersetzung der Auslegung des Übersetzers:
<Aber nein, bei deinem Herrn! Sie glauben nicht, bis sie dich über das richten lassen, was zwischen ihnen umstritten ist, und hierauf in ihren Herzen keine Bedenken finden durch das, was du entschieden hast, und sich in voller Ergebung fügen.>
(Quelle: Der edle Qur'ān; Sūrah al-Nisā' [4], Āyah 65)
Der wahre Muslim ist derjenige, der mit der Scharī°ah (Gesetzgebung) Allāhs und Seines Gesandten, das heißt, mit dem edlen Qur'ān und der gereinigten Sunnah zufrieden ist und sich ausschließlich dieser Scharī°ah fügt. Wir sehen einen Widerspruch in der Beweisführung zur Tötung eines Murtadd (Apostaten) im Vergleich zu den hier vorgebrachten Āyāt. Wie wird also mit einem Murtadd (Apostaten) verfahren? Jemand, der den Islām verlässt, gehört zu jener Gruppe von Menschen, deren Ansichten er vertritt. Und wenn solch eine Person sich einer Gruppe von Menschen anschließt, die den Islām nicht bekämpfen, dann stellt diese Person keine Bedrohung für den Islām dar und wird in Frieden gelassen. Wenn er sich jedoch einer Gruppe anschließt, die den Islām bekämpft, dann bekämpft man ihn solange, bis er von seinem Kampf ablässt – unter der Voraussetzung, dass ein islāmischer Staat existiert.
Die Munāfiqūn (Heuchler) zur Zeit des Gesandten Allāhs (صلى الله عليه وعلى آله وسلم) wurden zu ihrem Nifāq (Heuchelei) nicht gezwungen. Sie haben ihn nur praktiziert, da der Islām in der Madīnah-Phase stark war und sie sich von einem Bekenntnis zum Islām viele Vorteile erhofften. Sie zeigten den Muslimen gegenüber den Islām, verbreiteten Unheil und zeigten den Kuffār (Nichtmuslimen) gegenüber den Kufr (Unglauben), um einen Nutzen im Diesseits zu erhalten.
Und Allāh weiß es am besten und ist weiser.
Quelle: Fatwā-Nr.-00033